
Aktuelle Ausgabe
Hier findest du ausgewählte Auszüge aus dem Bulletin. Alle Artikel findest du im Archiv.
Editorial
Jede Stimme zählt
Delia Meier und Julia Küng, Gemeinderätinnen (GGR) Alternative – die Grünen
Als wir am Wahlsonntag des vergangenen Jahres beide (zusammen!) in den Grossen Gemeinderat der Stadt Zug gewählt wurden, weinten wir nicht aus Freude, sondern aus Frust über das enttäuschende Ergebnis der Regierungsratswahlen. Erst mit der Zeit kamen dann die Freude und der Respekt vor dieser grossen Aufgabe, die uns die Zuger Stimmbevölkerung anvertraut hat. Für unsere je 21 Jahre brachten wir beide einen prall gefüllten Politrucksack mit, doch die Wahl in die Legislative bedeutete für uns einen Wechsel der Polit-Ebene: Von häufig national ausgerichteter und ausserparlamentarischer Jungparteien- und Bewegungspolitik auf die ganz konkrete Bühne des Stadtparlaments.
Seit unserem Amtsantritt im Januar hat uns diese Bühne schon viel beigebracht, uns zum Verzweifeln, aber auch zum Lachen gebracht. Denn wer einen Sinn für Situationskomik hat, erlebt im Grossen Gemeinderat erstklassiges Kabarett: sei es beim Verlesen von SVP-Vorstössen, die nicht nur zeilen-, sondern abschnittlange Titel tragen, wenn die einzige Mehrheit, die wir in einer Ratssitzung haben, beim Entscheid um Sitzungsabbruch kurz vor 23 Uhr ist oder wenn Patrick Steinle einleitend zur Diskussion über die Vogelvoliere seine Interessenbindung offenlegt mit «manchmal heisst es, ich hätte einen Vogel».
Doch natürlich sind wir nicht zum Vergnügen gewählt – wir nehmen unsere Aufgabe sehr ernst. Schliesslich hat die Welt und auch die Stadt Zug genug Krisen zu meistern. Wir wollen die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, das Ende aller Diskriminierungsformen und ein gutes Leben für alle. Im Rat abgestimmt wird über Buslinien, Bebauungspläne und Budgets. So ist die Legislativarbeit natürlich sehr lokal und konkret, und doch könnte explizit die Stadt Zug auch einen wichtigen Beitrag leisten zu unseren grossen Visionen. Denn würde die reiche Stadt Zug ihr Geld für die Menschen hier und anderswo ausgeben, statt es anzuhäufen wie Dagobert Duck, könnten wir sehr viel gewinnen. So wissen wir doch ganz genau: Die Politik, die wir im Tiefsteuerparadies Zug machen, hat globale Auswirkungen. Und das Brisante an der Zuger Stadtpolitik waren noch nie die Parkplätze.
Trotzdem kämpfen wir gegen jede Parkplatzerweiterung und sind überzeugt, dass bei der anstehenden Ortsplanungsrevision wichtige Weichen gestellt werden können: sei es für das Klima und die Lebensqualität, aber auch für die Inklusion und Durchmischung unserer Stadt. Das Frustrierende ist nur, egal wie wir auch verhandeln und kommentieren, für die wirklich entscheidenden Veränderungen fehlen uns im GGR die Mehrheiten.
Umso erfreulicher war es, als die städtische Stimmbevölkerung diesen Juni dank 34 entscheidenden Stimmen die Initiative für mehr bezahlbaren Wohnraum annahm. Einerseits weil es zeigt, dass die Zuger*innen genug haben vom neoliberalen Kurs des Stadtrats, andererseits wird uns dieses Abstimmungsergebnis im GGR sehr konkret in unserem Kampf für bezahlbaren Wohnraum unterstützen, für den wir im Rat keine Mehrheiten haben (obwohl es das Wahlversprechen aller Parteien war). Ausserdem sehen wir an diesem knappen Ergebnis, was wir auch im Rat immer wieder erleben: Jede Stimme zählt! Denn ohne linksgrüne Mehrheiten bleiben unsere guten Ideen eben nur Ideen.
Genau deshalb stecken wir aktuell genauso viel Energie in den Nationalratswahlkampf wie in unsere parlamentarische Arbeit. Denn jede einzelne linksgrüne Stimme in Bundesbern bedeutet eine entscheidende Stimme mehr für konkrete Schritte in Richtung Klimaschutz, Gleichstellung und Gerechtigkeit.
Pflegenotstand
Büro statt Patient*in
Oliviero Reusser, Mitarbeiter vsao
Die Veröffentlichung der Resultate einer Mitgliederumfrage des vsao (Verband Schweizer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte) anfangs dieses Jahres schlug hohe Wellen. Die repräsentative Umfrage unter Assistenz- und Oberärzt*innen der ganzen Schweiz hat klar gezeigt, dass nicht nur in der Pflege, sondern auch in der Ärzteschaft die Situation sehr angespannt ist.

Es gibt zahlreiche Herausforderungen im Gesundheitswesen allgemein und spezifischer bei den Spitalärzt*innen: überbordende Bürokratie, gestiegene Anforderungen der Patient*innen, komplexere Krankheitsbilder, alternde Bevölkerung und weiteres. Ein grundlegender Dauerbrenner ist dabei die Einhaltung des Arbeitsgesetzes. Wie die Umfrage des vsao zeigt, wird dieses bei einer Mehrheit der Spitalärzt*innen nicht eingehalten. Der häufigste Verstoss geschieht bei der Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden oder der Akkumulation von Überzeit in einem Jahr von über 140 Stunden.
Es ist klar, dass der Arbeitsalltag im Spital von Unvorhersehbarem und unplanbaren Notfällen stark beeinflusst wird. Umso wichtiger ist es darum, bei der Planung genügend Puffer einzubauen und eine gute Dienstplanung zu haben. Dies ist jedoch gar nicht so einfach. In der Praxis wird dies dadurch erkennbar, dass jedes Spital andere Prozesse und Systeme dazu anwendet, teilweise gibt es sogar Unterschiede innerhalb eines Spitals, von Klinik zu Klinik. Auch die Zuständigkeiten sind sehr unterschiedlich: In gewissen Spitälern wird diese Planung durch die Personalabteilung erledigt, in anderen durch die Chefärzte, in anderen tun dies sogar die Assistenzärzt*innen (AA) direkt selber – auch in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit!
Weiterbildung obligatorisch
Für eine gute Dienstplanung ist ein vertieftes Verständnis des Arbeitsgesetzes unabdinglich. Leider ist dieses Wissen bei vielen Dienstplaner*innen nicht in ausreichendem Ausmass vorhanden. Gemäss Arbeitsgesetz beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 50 Stunden – nur im Ausnahmefall darf darüber hinaus gearbeitet werden. Der vsao schlägt dazu die 42+4h-Woche vor. Dabei werden die Assistenzärzt*innen – neben der Pflege die grösste Berufsgruppe im Spital – bei einem 100 Prozent-Vertrag für 42 Stunden Arbeitszeit, also Dienstleistungen rund um die Patientenbetreuung, eingeplant. Zusätzlich dazu werden pro Woche 4 Stunden strukturierte Weiterbildung eingeplant. Dies ist der Kern der Sache: AA befinden sich grundsätzlich in Ausbildung und müssen sie auch erhalten. Diese ist gesetzlich vorgeschrieben und gilt als Arbeitszeit. Erhalten die AA über ihre Berufstätigkeit nicht genug Weiterbildungen, wird der Abschluss ihrer Ausbildung und die Erreichung ihres Facharzttitels verzögert. Im schlimmsten Fall müssen diese ein zusätzliches Jahr als AA arbeiten.
In der Praxis ist die Umsetzung dieses Systems natürlich je nach Ausgangslage komplizierter. Es liegt jedoch in der Pflicht der Arbeitgeber, eine gute Dienstplanung umzusetzen und illegale Arbeitsbedingungen zu vermeiden. Dafür ist es jedoch auch notwendig, bisher vernachlässigte Optimierungen von Prozessen und Systemen in den Spitälern ernsthaft anzupacken. Während in den vergangenen Jahren ein – in vielen Fällen auch gerechtfertigter – Fokus auf Neu- und Umbauten, Arbeitskräftegewinnung und Marketing gelegt wurde, wurden Investitionen in schlanke Prozesse und smarte IT-Systeme vernachlässigt.
Digitalisierung verpasst?
Diese Probleme sind zu einem grossen Teil systembedingt, aber oftmals auch hausgemacht. In der Pandemie wurde in der Öffentlichkeit breit bekannt, in welchem Ausmass das Gesundheitswesen eine Modernisierung und Digitalisierung verpasst hatte: Plötzlich war die Datenübertragung abhängig von altmodischen Faxgeräten. Noch heute müssen Anmeldungen zu Röntgen oder Spezialuntersuchungen auch in den grössten Spitälern des Landes per Fax gemacht werden, gefolgt vom obligaten Anruf, das Fax sei gesendet worden. Glücklicherweise betrifft dies in der Realität nur eine klare Minderheit der Spitäler, auch im Kantonsspital Zug gehört dieser Teil der Geschichte den Archiven an – die Fax-Geräte gibt es zwar noch, sie werden aber kaum verwendet.
Ein weiteres klassisches Beispiel ist Inkompatibilität von klinischen Informationssystemen, die konkret zu zahlreichen kreativen Lösungen führt. In gewissen Fällen muss von einer Klinik zur anderen (im selben Spital) ein Scan oder PDF per Mail gesendet werden – diese Daten müssen dann abgetippt werden, eine Einlese funktioniert nicht. Spracherkennungssysteme, mit denen Texte diktiert werden könnten, finden nur langsam Einsatz. In anderen Fällen geht es am gleichen Computer schon nicht: Da Copy-and-paste nicht funktioniert, ist das einfachste Vorgehen, den Bildschirm mit dem Handy abzufotografieren, dann ins andere System zu wechseln und anschliessend die Informationen neu einzugeben. Zum Glück gibt es auch «nicht-technische» Lösungen: Die Dokumente können auch per Hand und Spaziergang überbracht werden, was in grösseren Häusern aber bis zu 10 Minuten dauern kann. Zum Glück werden solche Arbeiten immer öfters an Klinikassistent*innen delegiert, wodurch die Ärzteschaft entlastet wird.
Frustrierende Bürokratie
Das Gesundheitswesen besteht aus zahlreichen verschiedenen Berufsgruppen und Playern, die für eine effiziente Arbeit eng koordiniert vorgehen müssen. Dass wir davon weit entfernt sind, zeigt sich nicht nur auf der politischen Ebene, sondern auch im Spitalalltag. Beim vsao ist dabei die Doppelerfassung der Medikamente durch Pflege und Ärzteschaft das berüchtigtste Beispiel: Im absoluten Grossteil der Spitäler müssen bereits verordnete Medikamente entweder auf Papier oder in der Station auf einem System nochmals erfasst werden, oftmals von Hand. Ein weiterer grosser Frustrationstreiber sind dabei die Krankenkassen. Die CEOs der Kassen rühmen sich gerne damit, dass ihre Rücksprachen bei den Ärzt*innen zu Einsparungen für die Prämienzahler*innen in Millionenhöhe führten. Dafür fragen die Krankenkassen bei den abrechnende Ärzt*innen nach Präzisierungen oder nehmen Nachkontrollen vor. Dies ist im Grundsatz zwar ein guter Prozess im Interesse von bezahlbaren Prämien. Für die Ärzt*innen ist dies jedoch eine frustrierende Bürokratie. Sowieso wäre es interessant, in die Daten zu sehen, wie viele dieser Rückfragen zu Einsparungen führen und wie viele nicht. Eine erste Auswertung von Rückmeldungen aus der Ärzteschaft legt nahe, dass mehr als die Hälfte dieser Rückfragen als unnötig erachtet werden. Konkrete Beispiele sind dabei sehr verwunderlich: Ein guter Teil dieser Anfragen betrifft z.B. ausserkantonale Behandlungen, um die sich eine Ärzt*in persönlich kümmern muss.
Wer nun denkt: Huch, die Ärzt*innen sind ja kaum beim Patienten! – ja, das ist so. Studien haben gezeigt, dass Assistenzärzt*innen an normalen Arbeitstagen zwischen 30 und 120 Min bei den zu behandelnden Personen selber sind und den Rest der Zeit mit Bürokratie und Dokumentation verbringen.
Hängige Interpellation in Zug
Dass die Gesundheitsversorgung sich bereits deutlich davon entfernt hat, den Menschen ins Zentrum zu stellen, zeigt auch folgende Anekdote aus dem Kantonsspital Zug: Um eine möglichst effiziente Bezahlung sicherzustellen, gibt es eigene Stellen für «Codier-Experten», welche die Abrechnung der Ärzt*innen kontrollieren. Dadurch wird sichergestellt, dass bei jeder Bezahlung durch die Krankenkasse jede Behandlung, jedes Prozent noch deklariert wird, um den Ertrag für das Spital zu steigern. Konkret führt dies zu Überversorgung, unnötigen Behandlungen und Aufrundungen im Promillebereich. Im Geschäftsbericht sieht das gut aus: Der Gewinn betrug 2022 fast 3 Millionen Franken. Im Kantonsrat ist eine Interpellation von ALG-Kantonsrat Andreas Lustenberger zu den Arbeitsbedingungen der Ärzteschaft im Kantonsspital Zug hängig. Vielleicht wären die Bürokratie und Ineffizienz ein weiteres, spannendes Thema?
Junge Alternative
Die Reuss-Revolution
Dominic Zwyssig, Junge Alternative Zug
Die Reuss erstreckt sich über eine Länge von 13 Kilometern entlang dem westlichen Rand des Kantons Zug. Im 19. Jahrhundert wurden die ersten erheblichen Eingriffe zur Kanalisierung der Reuss im Kanton vorgenommen. Nach den verheerenden Überschwemmungen der Reussebene in den Jahren 1910 und 1912 erfolgte eine umfassende Erneuerung der Flussverbauungen. Ein Hochwasserdamm wurde errichtet, um die Ebene vor Überflutungen zu schützen. Jedoch bewahrt dieser leider nicht nur die Gebäude vor dem Wasser, sondern auch die Auenwälder.
Für intakte Ökosysteme in der Reussebene wäre jedoch das regelmässige Hochwasser des Flusses zentral. Besonders bedauerlich ist die Schaffung des sogenannten «Binnenkanals», der im Buch von 1924 über die Zuger Reussverbauungen wie folgt beschrieben wurde: «Die Reussverbauung hatte wohltätige Folgen, die bei der Projektierung nicht einmal vorausgesehen wurden. Wir nennen da vor allem die weitgehende Entwässerung des Hinterlandes durch den Binnenkanal, die ohne irgendwelche weiteren Massnahmen eingetreten ist und bis nach Hagendorn hinaufreicht.»
Seit 1850 sind etwa 90 Prozent der Schweizer Moorlandschaften wie diese trockengelegt worden. Das hat dazu geführt, dass Schweizer Moorlandschaften auf der roten Liste gefährdeter Lebensräume stehen. Diese wären jedoch wichtig, da in Feuchtgebieten 80 Prozent aller in der Schweiz lebenden Tier- und Pflanzenarten vorkommen. Sie sind also wahre Biodiversitätsparadiese. Symbolisch für ihren Rückgang ist das zeitweise Aussterben der Europäischen Sumpfschildkröte in der Schweiz, der einzigen hierzulande heimischen Schildkrötenart.
Die Biodiversität ist essenziell für das Ökosystem
Parallel zum Hochwasserdamm wurde der Fluss durch das Einsetzen von massiven Betonblöcken im
Flussbett in ein enges Korsett gezwungen. Diese Betonstrukturen sind bis heute, wie beispielsweise in der Nähe der Mühlau-Brücke, sichtbar. Sie verhindern das Bilden von Seitenarmen. Auf Karten aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist gut dokumentiert, dass die Reuss im Kanton Zug viele Seitenarme hatte. Diese würden von verschiedensten Amphibien und Fischarten als Laichplätze genutzt. Durch den kontinuierlichen Wandel des mäandernden Flusses würden viele Lebensräume wiederhergestellt und so die Biodiversität gefördert. Die Biodiversität ist essenziell für die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen bei Veränderungen wie dem Klimawandel, der zum Kollaps ganzer Ökosysteme führen kann und wird. Deshalb hat die UNO-Biodiversitätskonferenz in Montreal Ende 2022 beschlossen, dass bis zum Jahr 2030 30 Prozent der weltweiten Landfläche Naturgebiete sein sollen. Dies, um das derzeitige Artensterben zu bekämpfen, das grösste seit dem Verschwinden der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren.

Von Beton zu Biotopen: die Renaturierung als Chance
Hierfür bedarf es einer neuen Denkweise in Bezug auf die Reuss. Der Bau der Dämme hatte das Ziel, den Fluss schnellstmöglich aus dem Kanton zu leiten. Doch die aktuelle Reuss bietet ökologische Vorteile vergleichbar mit einem englischen Rasen. Es ist entscheidend, den Fluss als Chance für eine stark wahrnehmbare Steigerung der Biodiversität im Kanton zu sehen. Daher sollten nur noch die wenigen Siedlungen und Bauernhöfe in der Reussebene weiterhin mit Schutzbauten vor dem Wasser geschützt werden, jeweils mit gewährleisteten Zufahrtswegen. Die gegenwärtigen Verbauungen sollten entfernt und der Binnenkanal mit dem Aushub der Dämme aufgefüllt werden. Eine beträchtliche Fläche von schätzungsweise 9 Quadratkilometern könnte durch die Aufhebung der Reussverbauungen renaturiert werden. Im Zuge der Sanierung im Jahr 2005 wurden lediglich 0,07 Quadratkilometer wiederhergestellt. Diese Kleinstfläche zeigt jedoch auf positive Weise, wie eine Renaturierung aussehen könnte. Während meines jüngsten Besuchs hatte ich sogar das Glück, einen Biber zu beobachten.
Der Verlust jener 9 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Fläche kann bereits vollständig kompensiert werden, wenn rund 6’000 Zuger*innen, also jede*r Zwanzigste, auf eine vegane Ernährung umsteigen. Denn die vegane Ernährung verbraucht durchschnittlich rund 75 Prozent weniger Fläche als eine fleischhaltige Ernährung. Es ist an der Zeit, die Reuss in ihre ursprüngliche Pracht zurückzuversetzen. Make the Reuss great again!
Kundgebung
Klimademo ganz gross
Redaktion Bulletin
Die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise werden immer deutlicher sichtbar. Um das Pariser Klimaabkommen noch einhalten zu können, müssen wir jetzt handeln. Am 30. September 2023 findet in Bern (ab 14 Uhr) deshalb eine Grosskundgebung für Klimagerechtigkeit statt.
Viele Jahre lang versucht die Klimabewegung schon unsere Regierung, Schweizer Banken, klimazerstörerische Grosskonzerne und andere grosse Emittenten dazu zu bringen, effektive Klimaschutzmassnahmen zu ergreifen. Die Klimabewegung hat bei einigen zu einem Umdenken geführt. Mutige Menschen probieren neue Wege aus und in vielen Branchen werden klimaverträgliche Lösungen gesucht und gefunden. Doch es passiert noch viel zu wenig und die Zeit für vorsichtige Schritte ist abgelaufen! Nun wollen wir endlich Taten sehen. Wir werden laut sein, bis wir in einer klimagerechten Gesellschaft leben. Denn aufzugeben und nichts zu machen ist ein Privileg, das viele Menschen, die bereits heute unter der Klimakrise leiden, nicht haben.
Kommt bitte zahlreich und nehmt lautstark und kreativ an diesem Umzug teil. Die Fotos auf dieser Doppelseite sollen euch animieren, mit einem eigens gestalteten Plakat selber teilzunehmen. Wir brauchen dich, wir brauchen viele! Gross soll sie sein – die Demo!
Flucht
Geschlossen
Natalie Chiodi
Im BULLETIN 4/2022 wurde zuletzt über den Alltag von geflüchteten Menschen in Griechenland berichtet. Seit 2016 berichten wir im BULLETIN über die Situation in Griechenland. Die Situation damals und in den folgenden Jahren hat zur Gründung des kleinen Hilfswerks network ANTHROPIA geführt. Es leistet Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit.
Turbulente Zeiten für network ANTHROPIA! Die Camps, die in Lavrio, etwa eine Stunde südlich von Athen liegen und deren Bewohner*innen network ANTHROPIA betreut hatte, wurden Anfang Juli 2023 von den Behörden geschlossen.
Dazu muss man Folgendes wissen: Camp bedeutet in diesem Fall, dass geflüchtete Menschen in Gebäuden/Containerlagern der Gemeinde oder des Staates wohnen. Die Gebäude sind oft baufällig und marode, wie auch in diesem Fall. Die Geflüchteten sind geduldet und die Gemeinde bezahlt den Strom- und Wasserverbrauch. Es sind aber keine offiziellen Regierungscamps. In diesem Fall wohnen in einem Camp fast ausschliesslich Kurd*innen. Und damit erhält das Ganze auch eine politische Dimension. Die mehrheitlich von Kurd*innen bewohnten Häuser waren Erdogan schon lange ein Dorn im Auge. Man nimmt an, dass die Türkei Druck auf Griechenland ausgeübt hat. Begründet wurde die Schliessung mit dem maroden Zustand der Gebäude. Doch der politische Druck der Türkei wird wohl auch eine Rolle gespielt haben.
In einem zweiten, kleineren Camp leben vorwiegend Menschen aus Afghanistan. Auch sie sind schon seit vielen Jahren in Lavrio. Auch dieses Gebäude wurde geräumt. Einer jungen Witwe mit ihren beiden Kindern haben wir zwei Zimmer im Weiterbildungscenter von network ANTHROPIA (siehe weiter unten) angeboten, sie ist sehr glücklich darüber. Ein Afghane, der uns neben seiner Arbeit so oft wie möglich hilft, kann vorübergehend an seinem Arbeitsplatz leben, wir suchen eine kleine Bleibe für ihn. Die anderen jüngeren Männer aus Afghanistan erhalten unsere Hilfe, wenn sie sie brauchen. Sie sind sehr selbständig. Die älteren Menschen aus diesem Camp werden durch die Sozialbehörde der Gemeinde betreut. Ein befreundeter Grieche hilft ihnen bei Behördengängen. In alle Fälle sind wir involviert.
Vorbereitung
Kurz vor der Schliessung wurde die Präsidentin von network ANTHROPIA persönlich kontaktiert und es wurde zugesichert, dass alle Familien, die wollten, nach Malakasa (Malakasa ist ein offizielles Regierungscamp) gehen können. Man wolle bloss wissen, wie viele Familien mit wie vielen Kindern kommen würden, um die Wohneinheiten bereitzustellen. Die Familien wurden durch network ANTHROPIA informiert. Auf diese Weise wollte man es den Familien ermöglichen, ohne Räumungsaktion durch die Polizei mit persönlicher Begleitung durch network ANTHROPIA umzuziehen. Nicht alle Familien haben das Angebot angenommen. Bei einigen schien es, dass sie sich instrumentalisieren liessen, damit die Räumung in den sozialen Medien ausgeschlachtet werden konnte.
Räumung
Somit waren bei der Räumungsaktion auch noch Kinder anwesend. Die Räumung ist soweit korrekt verlaufen, network ANTHROPIA war dabei. In der Presse hiess es, es seien Hunderte (!!!) von Polizisten um zwei Uhr morgens in die Zimmer eingedrungen (es war fünf Uhr), sie hätten die Türen mit Füssen eingetreten (sie haben angeklopft). Das zirkuliert so auch auf Facebook. Wir nennen das Falschinformation.
Wir sind traurig über den Wegzug der Menschen, um deren Wohlergehen wir uns seit vielen Jahren intensiv gekümmert haben. Die meisten Bewohner*innen wurden nach Oinofyta gebracht, ein Regierungscamp in der Nähe von Malakasa. Fünf Familien hatten sich schon im April entschlossen, ins Malakasa-Regierungscamp zu gehen. Sie wurden von Mitarbeiter*innen des Ministeriums hingefahren. Wir stehen in engem Kontakt mit den Familien und mit einer freiwilligen Helferin, die seit sieben Jahren mitarbeitet. Malakasa wurde aufgerüstet und hat nichts mehr mit dem zu tun, was wir da vor zwei Jahren gesehen haben. Die Menschen sind ordentlich untergebracht, haben medizinische Versorgung, die Kinder werden betreut und die Mütter ebenfalls. Unsere kurdischen Familien sind den Umständen entsprechend zufrieden.
Jene Familien, die sich in den Tagen vor der Räumungsaktion entschieden hatten, das Angebot des Ministeriums anzunehmen, wurden durch network ANTHROPIA abgeholt und hingefahren. Der Empfang in Malakasa war sehr persönlich und liebevoll, mit drei Sozialarbeiterinnen. Zwei Container wurden vorbereitet, mit zwei Zimmern, Küche und Bad, und wir durften sogar ins Regierungscamp fahren und mit Einrichten helfen.
Wir stehen in engem Kontakt mit den Familien in Malakasa und Oinofyta. Wir versuchen, sie punktuell für Tagesausflüge abzuholen, und wir versorgen sie wenn nötig. Leyla mit Familie (die Kinder sind in Lavrio schon integriert und der Mann hat eine gute Arbeit) versuchen wir rauszuholen und in einer Wohnung unterzubringen.
Entwicklungszusammenarbeit
Die Schliessung der Camps hat Folgen für network ANTHROPIA. Das Weiterbildungscenter von network ANTHROPIA (eine umfunktionierte Wohnung) für Frauen und Kinder wird nur noch mit punktuellen Angeboten weiterbestehen. Es bleiben noch zwei intakte Familien vor Ort. Vorerst werden diese Räumlichkeiten noch nicht gekündigt, um die Situation in aller Ruhe zu analysieren und beobachten. Eventuell könnte die Wohnung als Ort für Geflüchtete dienen.
Sommerprogramm
network ANTHROPIA ist mittlerweile bekannt dafür, dass es während den dreimonatigen Sommerferien für eine bis drei Wochen ein Sommerprogramm auf die Beine stellt. Das Ziel ist immer, die Kinder zu animieren und ihnen in ihrem Alltag etwas Ablenkung zu bieten. In den letzten drei Jahren waren jeweils Bewegungs- und Clownpädagog*innen vor Ort, in diesem Jahr ist ein Geschwisterpaar aus der Schweiz nach Lavrio gereist. Die beiden stellten u.a. ein Programm zum Erlernen von Breakdance zusammen. Es fand ein Morgenkurs statt, für den sich die Kinder einschreiben mussten. Der Abendkurs war offen für alle und mitten in Lavrio, damit auch griechische Kinder teilnehmen konnten. Das erarbeitete Programm wurde dann am Samstagmorgen vor Publikum gezeigt.



Geflüchtete in Griechenland
Seit Beginn des Konfliktes in Syrien im Jahr 2011 war Griechenland mit stark steigenden Grenzübertritten von Flüchtlingen konfrontiert. Griechenland wurde zu einem der grössten Einsätze des UNHCR in Europa. Grosse internationale Aufmerksamkeit bekam die Situation in Griechenland, als im September 2020 das Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos abbrannte, 12000 Menschen über Nacht ihre Unterkünfte verloren und in kürzester Zeit ein neues Flüchtlingslager errichtet werden musste.
Seitdem hat sich einiges verändert: Tausende Flüchtlinge wurden von Lesbos auf das griechische Festland gebracht. Viele strandeten in Flüchtlingscamps in und um Athen oder Thessaloniki, die sich zu neuen Hotspots entwickelten. Ende April 2023 lebten rund 5200 Flüchtlinge auf allen griechischen Inseln.
Während die Zahl der Neuankömmlinge 2019 und 2020 vor allem während der Corona-Pandemie immer weiter sank, ist sie 2022 wieder auf rund 18800 Neuankömmlinge in Griechenland gestiegen. Die meisten Geflüchteten kamen aus Afghanistan und Syrien.
In Griechenland sind 2023 rund 92600 Flüchtlinge, Asylsuchende und andere «people of concern», Menschen, die ebenfalls unter das UNHCR-Mandat fallen, registriert. Die Flüchtlinge kommen vor allem aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan.
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/griechenland
Network ANTHROPIA
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