Manuela Weichelt, Nationalrätin Alternative – die Grünen Zug

 

In den ersten acht Wochen dieses Jahres gab es in der Schweiz bereits acht Femizide. Anfangs dieses Monats waren wir schon bei 15 toten Frauen durch Femizid in der Schweiz. Wir brauchen in der Schweiz dringend Aufklärung und eine Berichterstattung, die das Thema ernst nimmt.

 

In den vergangenen Jahren verzeichnete die Schweiz alle zwei Wochen eine Frau, die durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet wurde. Dazu: Jede Woche überlebt eine Frau einen versuchten Femizid. Im Kanton Zürich rückt die Polizei im Schnitt 20-mal pro Tag wegen familiärer Streitereien oder häuslicher Gewalt aus. Im Tessin nimmt die Polizei dreimal am Tag und in Genf pro Tag fast zwei Anzeigen auf. 

Doch über Gewalt und Femizide wird kaum berichtet. Und wenn, dann oft nur in Lokal- und Boulevardzeitungen, häufig beschrieben als «Familiendrama», als «Beziehungstragödie» – und als «Einzelfall».

Keine Femizid-Statistik

Die Dunkelziffer für Femizide ist vermutlich hoch. Der Begriff Femizid ist in der Schweiz noch immer kein etablierter rechtlicher Begriff, auch fehlt eine Femizid-Statistik. Seine Verwendung wurde im Sommer 2020 vom Ständerat erneut abgelehnt. Meine Kollegin Sibel Arslan (Grüne BS) hat ein Postulat im Nationalrat eingereicht, um die Femizide zu erfassen. Das Postulat war umkämpft, wurde aber schlussendlich angenommen.  

Der Bundesrat und die Bundesverwaltung kommunizieren Folgendes: Die Umsetzung der Massnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt erfolgt im Rahmen der bestehenden Budgets. Wer die Debatten verfolgt hat, weiss, dass gestrichen und gespart wird, ausser es ist für die Landwirtschaft oder die Armee. 

In zahlreichen europäischen Ländern – insbesondere in Spanien – sind Schweigeminuten im Parlament ein etabliertes Zeichen der Solidarität und der politischen Ernsthaftigkeit gegenüber dem Thema der geschlechtsspezifischen Gewalt. Die oberste Schweizerin wollte dieses Zeichen ebenfalls unterstützen, aber das Büro des Nationalrates hat es leider abgelehnt.

 

Stopp Femizid

Über Femizide berichten – und mithelfen, sie zu verhindern.

Als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen oder Mädchen als extreme Form geschlechtsbezogener Gewalt, die im Kontext patriarchaler Geschlechterdifferenzen verübt wird.

Medien tragen eine grosse Verantwortung dabei, wie sie über Gewalt an Frauen und Femizide berichten und sie darstellen. Tun sie es sorgfältig, ist das bereits Prävention.

Berichterstattung bei Gewalt an Frauen und Femiziden ist noch immer häufig täterfokussiert, d.h. eher aus der Perspektive eines Täters als eines Opfers oder der Hinterbliebenen verfasst: voll mit verharmlosenden Begrifflichkeiten, Rechtfertigungen und mit dem Täter sympathisierenden Ausdrücken, die einen potenziellen Täter wiederum dazu veranlassen können, das Geschriebene für sich selbst auszulegen.

Eine achtsame Berichterstattung vermeidet unter allen Umständen, Hinterbliebene zu retraumatisieren und potenzielle Täter anzustacheln.

Prävention und Aufklärung sind wichtig, nicht Sympathie und Verständnis für den Täter. Mit der Berichterstattung sollen weitere Gewalttaten vermieden werden. Immer auf Hilfsmöglichkeiten für Betroffene hinweisen.

Ein Täter trägt für seine Tat Verantwortung. Er hat sich dafür entschieden, das Leben eines Gegenübers nicht zu respektieren. Das Delikt ist ein Verbrechen und hat weder mit Liebe noch mit Sexualität zu tun, sondern mit Macht.

Weitere Denkanstösse unter: www.stopfemizid.ch/deutsch#de2