Franz Lustenberger

 

Knapp 60 Prozent der Einwohner*innen in der Schweiz wohnen zur Miete; gut 40 Prozent wohnen in den eigenen vier Wänden. Diese Aufteilung hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Die Immobilienlobby und die bürgerlichen Parteien greifen regelmässig das bestehende Mietrecht an; das nächste Mal am 24. November 2024.

 

Explodierende Mieten und fehlender bezahlbarer Wohnraum – diese Themen gehören zu den zehn grössten Sorgen der Schweizer*innen. Im Kanton Zug steht das Thema Wohnen gar ganz oben auf der Liste. Zur Rechtslage: Das Menschenrecht auf Wohnen ist Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard, wie es in Artikel 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) verbrieft ist. Die Schweiz hat diesen Sozialpakt im Jahre 1992 ratifiziert, ist also verpflichtet, ihm nachzuleben. Trotzdem kennt die Bundesverfassung kein eigentliches Recht auf Wohnen. In Artikel 109 BV ist festgehalten, dass der Bund «Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen, namentlich gegen missbräuchliche Mietzinse, sowie über die Anfechtbarkeit missbräuchlicher Kündigungen und die befristete Erstreckung von Mietverhältnissen» erlässt.

Was dies im konkreten Fall heisst, ist politisch auszuhandeln. Wenn gegensätzliche Interessen aufeinanderstossen, versuchen beide Seiten, das Recht zu ihrem eigenen Vorteil zu verschieben. Genau dies macht die Immobilienlobby mit zwei Änderungen des Mietrechts, welche die Mehrheit des bürgerlichen Parlamentes beschlossen hat und gegen die erfolgreich das Referendum ergriffen wurde.

Das Wort «dringend» macht den Unterschied

Kündigungen wegen Eigenbedarfs sollen einfacher werden: Bis jetzt mussten Besitzer*innen nachweisen, dass sie diese «dringend» benötigen, um den Mieter*innen kündigen zu können. Neu müssen sie nur noch nachweisen, dass der Eigenbedarf «bei einer objektiven Beurteilung bedeutend und aktuell» ist. Sprich: Vermieter*innen müssen nicht mehr belegen, dass eine Wohnung unbedingt und sofort für sich selbst oder für nahe Verwandte benötigt wird. Eine Mieterstreckung zu erhalten, wird schwieriger: Wer eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erhält, kann diese weiterhin anfechten. Allerdings müssen die Mietgerichte auch in diesem Punkt «die objektiv zu beurteilende Bedeutung und Aktualität» beurteilen und nicht mehr, wie dringlich dieser Eigenbedarf ist.

Auch bei der Untervermietung gibt es Änderungen, zugunsten der Besitzer*innen von Liegenschaften. Eine schriftliche Zustimmung ist neu nötig: Wer eine Wohnung oder ein Zimmer untervermieten will, muss dazu neu die schriftliche Zustimmung des Vermieters oder der Vermieterin einholen. Bisher genügte es, wenn man das mündlich tat. Nach den neuen Regeln muss den Vermieter*innen schriftlich mitgeteilt werden, wer Untermieter*in ist, wie hoch der Untermietzins ist und wie lange das Mietverhältnis dauert.

Weitere Schwächung des Mietrechts in Sicht

Die jetzigen Änderungen mögen marginal erscheinen, sie sind aber erst der Anfang. Die nächsten Angriffe auf den Mieterschutz sind längst aufgegleist; sie betreffen den Kern des Mieterschutzes. Neu sollen Anfangsmietzinse nur noch angefochten werden können, wenn eine Notlage besteht. Die Anfechtung des Anfangsmietzinses ist aber das einzige Instrument, mit dem sich die Mieter*innen zu Beginn des Mietverhältnisses gegen überhöhte Mieten wehren können. Dieses Instrument ist für die Mieterseite von zentraler Bedeutung.

Ausserdem sollen für die Festlegung der quartierüblichen Mietzinse nur noch drei Vergleichsobjekte vorgelegt werden müssen. Der Mieterverband befürchtet, dass Vermieter künftig die teuersten Wohnungen auf dem Markt als Vergleichswohnungen auswählen könnten. Die Preisspirale zugunsten der Immobilienlobby bekäme freie Fahrt nach oben. Ein Nein im November ist deshalb notwendig, um einer viel weitergehenden Lockerung des Mietrechts rechtzeitig den Riegel zu schieben