Natalie Chiodi, Redaktion BULLETIN

Der Zuger Konzern Metallurgical Resources AG (IMR) ist massgeblich an einer Kohlemine mitten im Regenwald von Borneo beteiligt. 15 000 Hektar tropischem Regenwald droht dadurch potenziell die Rodung; vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind in Gefahr. Public Eye ist in das Herz des zweitgrössten Regenwaldes der Welt gereist. Es geht um Landgrabbing, um Luft- und Wasserverschmutzung – also darum, welche Opfer der Kohleabbau fordert. Ein Film berichtet darüber.

Der Dokumentarfilm «Macht und Ohnmacht – Wenn Schweizer Konzerne Leben zerstören» zeigt zwei Schauplätze, die weit auseinanderliegen: 18 000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der Provinz Espinar in den Anden und dem Regenwald auf der südostasiatischen Insel Borneo. Doch die indigenen Gemeinschaften beider Regionen verbindet ihr Kampf gegen gigantische, aus der Schweiz gesteuerte Minen. Und es scheint kein Zufall, dass beide Firmen ihren Sitz in Zug haben. Im Falle von Espinar (Peru) handelt es sich um Glencore. Während wir im BULLETIN schon öfters über Glencore berichteten, steht in diesem Artikel für einmal IMR im Zentrum.

Auf Borneo, mitten in einem der letzten grossen Regenwälder Asiens, baut das Unternehmen PT Borneo Prima seit 2019 jährlich 2,3 Millionen Tonnen Kohle ab. Satellitenbilder zeigen, dass seit Inbetriebnahme der Mine bereits mindestens 150 Hektar Regenwald zerstört wurden. Und es droht noch viel mehr Wald die Rodung, damit die darunterliegenden Kohlereserven erreicht werden können: Die ganze Konzession umfasst nämlich mehr als 15000 Hektar Wald. Der Regenwald von Borneo gilt als einzigartiges Ökosystem. Die Artenvielfalt ist so gross wie nirgendwo sonst: Hier leben 222 Säugetier-, 622 Vogel-, 400 Amphibien- und 394 Fischarten. Darunter beispielsweise die vom Aussterben bedrohten Sabah-Nashörner, Orang-Utans oder der Gibbon-Affe.

Sogar unternehmenseigene Erhebungen zur Umweltverträglichkeit zeigen, dass auf dem Gebiet der Minenkonzession einige der am stärksten bedrohten Tier- und Pflanzenarten leben, darunter Gibbons, Javaneraffen und seltene Tropenvögel wie der Gelbscheitelbülbül, von dem es weltweit nur noch wenige hundert Tiere gibt. Die Mine bedroht nun den Lebensraum all dieser Arten und damit ein einzigartiges Ökosystem.

Konzerne verletzen Umweltstandards

49 Prozent der umstrittenen Mine und damit eine grosse Mitverantwortung gehören dem undurchsichtigen IMR-Konzern, in dessen verschachtelter Konzernstruktur sich 26 Gesellschaften befinden, mehrere darunter mit Sitz im Kanton Zug. IMR hat Niederlassungen und betreibt Minen und andere Produktionsstätten in China, Indonesien, Mexiko und Südafrika, wo Gold, Silber, Stahl, Eisenerz und Kohle abgebaut, verarbeitet oder produziert werden. Gemäss eigenen Angaben beläuft sich der Jahresumsatz auf rund drei Milliarden US-Dollar. Geschäftsberichte sind keine verfügbar. Mit dem Abbau von Kohle im Regenwald verstösst das Minenunternehmen gegen internationale Umweltstandards der Weltbank. Diese besagen, dass Unternehmensaktivitäten in wichtigen Lebensräumen von aussterbenden Tieren verboten sind. Erlaubt sind nur Projekte, welche nicht zur Verminderung gefährdeter oder stark gefährdeter Arten führen und keine negativen Auswirkungen auf deren Lebensraum haben.

Stossende Ausreden

Dass die Mine gegen internationale Standards verstösst, scheint dem IMR-Konzern durchaus bewusst zu sein. Als der Bruno-Manser-Fonds, der den Fall publik machte, die IMR Holding AG mit den Vorwürfen konfrontierte, antwortete deren Verwaltungsratspräsident sehr unverblümt, IMR müsse die internationalen Umweltstandards nicht einhalten, da es in der Schweiz kein verbindliches Konzernverantwortungsgesetz gebe. Als ein paar Wochen später der SonntagsBlick den Konzern mit der Kritik konfrontierte, fiel dem Verwaltungsratspräsidenten plötzlich eine neue Ausrede ein: Die IMR Holding AG mit Sitz in Zug habe die Mine verkauft und sei gar nicht mehr verantwortlich. Erst Wochen später zeigte ein aktualisierter Handelsregisterauszug aus Indonesien: Die Mine gehört weiterhin zum IMR-Konglomerat – sie wurde nur von der IMR Holding AG (Zug) in die IMR Asia Holding (Singapur) transferiert. Ebendiese IMR Asia Holding gehört wiederum der IMR Metallurgical Resources AG. (Bemerkung der BULLETIN-Redaktion: Die IMR Holding AG und die IMR Metallurgical Resources AG haben ihren Sitz an der Dammstrasse 19 in Zug.) Die Organisation Public Eye hat zudem herausgefunden, dass ein Teil der geförderten Kohle in einem Stahlwerk auf der indonesischen Insel Java verfeuert wird, das ebenfalls dem IMR-Konzern gehört. Im Februar 2022 behauptete der Verwaltungsratspräsident plötzlich, IMR sei nicht mehr an der umstrittenen Mine beteiligt. (Quelle: SonntagsBlick vom 18.06.23 – siehe  ild)

Konzernverantwortung jetzt!

Der Fall zeigt einmal mehr exemplarisch, wie auch unbekannte Rohstoffkonzerne von der Schweiz aus operieren und es ausnutzen, dass die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung ist. Das ist verheerend, denn ein Konzern wie IMR kann heute dazu beitragen, die Artenvielfalt zu gefährden und einen wichtigen CO2-Speicher zu zerstören, ohne dafür geradestehen zu müssen. Die Recherche von Public Eye u.a. zeigt zudem auch, dass die lokale Bevölkerung unter den Folgen des Kohleabbaus leidet.

 

Quellen

Koalition für Konzernverantwortung: konzernverantwortung.ch/beispiele/zuger-rohstoffkonzern-imr-profitiert-von-kohlemine-mitten-im-regenwald/

Bruno Manser Fonds: hmf.ch/de/news/schweizer-rohstoff—firma-imr-verweigert-gesprach-zur-beteiligung-an-indonesischer-kohlemine-205

Public Eye: https://stories.publiceye.ch/indonesien/

Sonntags-Blick: www.blick.ch/wirtschaft/zuger-rohstofffirma-hatte-finger-im-spiel-natur-auf-borneo-faellt-kohle-zum-opfer-id17231497.html (13.02.2022)

www.blick.ch/wirtschaft/streit-um-kohlemine-auf-borneo-zuger-rohstoff-firma-bestreitet-beteiligung-id18675448.html (18.06.2023)

Zentralplus: www.zentralplus.ch/wirtschaft/regenwald-von-borneo-zuger-helfen-bei-vernichtung-mit-2219363/