Die Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen will die Lebensgrundlagen auf der Erde langfristig sichern. Die Ressourcen des Planeten sollen den Rahmen für die Wirtschaft abgeben. Darüber stimmen Volk und Stände im Februar 2025 ab.

Franz Lustenberger, Redaktion BULLETIN

Religiöse Menschen glauben an ein unendliches Leben nach dem Tod, irgendwo in einem himmlischen Paradies. Viele Menschen in der westlich geprägten Wohlstandsgesellschaft – und nicht nur hier – glauben an die unendliche Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und deren ungebremste Ausbeutung, zumindest leben und konsumieren sie entsprechend diesem Glauben an die unerschöpfliche Erde. Dabei steht es auf meinem T-Shirt mit dem Gütesiegel der Stiftung «bioRe» mit Sitz in Rotkreuz klar und unmissverständlich: There is no planet B.

Auf unserer Erde, dem Planeten A, haben alle Menschen das Recht auf ein Leben in Würde und damit das Recht auf eine gesunde Umwelt. Dies stellt die Umweltverantwortungsinitiative sicher, indem die Wirtschaft die planetaren Grenzen respektieren muss. Die Schweiz trägt als reiches Land eine besondere Verantwortung; derzeit leben wir auf Kosten der Länder des globalen Südens und der zukünftigen Generationen. Planetare Grenzen sind die Belastungsgrenzen der Erde – etwa in den Bereichen Klima, Artensterben, Abholzung, Wasserverbrauch, Bodennutzung. Werden die natürlichen Grenzen überschritten, gerät das planetare Gleichgewicht unwiderruflich aus den Fugen.

Endlich handeln

Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von Kipppunkten, also Schwellenwerten, deren Überschreiten zu schwerwiegenden und in der Regel unumkehrbaren Veränderungen führt. Deshalb setzen sich auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter für die Initiative ein: «Die planetaren Grenzen sind wissenschaftlich fundiert. Endlich wird dieses Prinzip ins Politische übersetzt.» Das schreibt Boris Previsic, Professor an der Universität Luzern. Und Professor Michael Lehning vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos bringt es kurz und knapp auf den Punkt: «Wir wissen weitgehend, wie wir nachhaltiger leben können, aber wir müssen es auch tun!»

Die Umweltverantwortungsinitiative sieht vor, dass die Erneuerungsfähigkeit der Natur den Rahmen der Schweizer Wirtschaft bildet (Initiativtext im Kasten). Die Wirtschaft und ihre Tätigkeiten müssen Rücksicht auf die Natur nehmen und nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, wie die Natur erträgt, damit die Lebensgrundlagen erhalten bleiben.

Heute werden mehrere planetare Grenzen bereits überschritten. In der Sprache der Ökonomie, die wohl auch bürgerliche Parteien verstehen, bedeutet das: Wir leben schon lange und immer mehr vom Kapital dieser Erde und nicht von den Zinsen, also vom jährlichen Ertrag. Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, formuliert es in einer Medienmitteilung von anfangs Oktober 2024 so: «Wenn wir weitermachen wie bisher, zerstören wir unsere eigenen Lebensgrundlagen immer schneller. Im Moment verbraucht unsere Wirtschaft viel mehr Ressourcen, als die Natur wiederherstellen kann.» Oder bildlich gesprochen – wir sägen nicht nur am Ast, auf dem wir sitzen; wir legen gleich die Axt an den ganzen Baum an und wollen nicht merken, dass er bald kippt und fällt.

«Naturzerstörungsbremse»

Der Bundesrat anerkennt zwar die Problematik, er sieht aber keinen Handlungsbedarf. Die rechtsbürgerliche Mehrheit sagt ebenso Nein zur Initiative wie zu dem im Parlament eingebrachten Gegenvorschlag. Das Standardargument von rechts ist immer dasselbe: Die Initiative ist zu extrem und kostet zu viel. Wie wenn die fortschreitende Zerstörung unseres Planeten nicht sehr viel mehr kosten würde. Und wenn alle sachlichen Argumente nicht mehr zu überzeugen vermögen, wird die Sozialismus-Keule hervorgeholt; so schreibt Alex Reichmuth, Nebelspalter-Redaktor im aktuellen Heft «Weltwoche Grün» Folgendes: «Es geht beim Kampf gegen die Erderwärmung um die Einführung des Sozialismus.» Es gehe nicht um die Natur, es gehe auch nicht um die Umwelt, sondern um die Zerstörung der Marktwirtschaft. Dabei liegt es doch auf der Hand: Eine Wirtschaft, die ihre planetaren Grundlagen zerstört und damit ihr Kapital vernichtet, wird irgendwann von selbst untergehen.

Ich erinnere weiter an bürgerliche Argumentationen, wenn es um den Staatshaushalt oder die soziale Sicherheit geht. Man dürfe den nachfolgenden Generationen keine höheren Schulden hinterlassen, so die bürgerliche Linie bei der Verteidigung der heiligen Kuh Schuldenbremse. Man dürfe die soziale Sicherheit (AHV, BVG) nicht ausbauen, die Zeche müssten sonst die jetzigen Jungen bezahlen. Doch wenn wir unsere Lebensgrundlagen langsam, aber sicher zerstören, dann spielt die nachfolgende Generation, also unsere Kinder und deren Kinder, auf einmal keine Rolle mehr. Denn die neoliberale Logik kennt nur Geldwerte. Lebensqualität für die Zukunft? Fehlanzeige. Darum braucht es in unserer Verfassung eine «Naturzerstörungsbremse». Darum braucht es ein Ja zur Umweltverantwortungsinitiative, denn es gibt keinen Ersatzplaneten für Mutter Erde.